Die Dokumente der Undokumentierten

Ein solches Schreiben benötigen Kinder von undokumentierten Migrant*innen im Iran, um zur Schule gehen zu können. Ohne dieses Blatt Papier haben sie kein Recht auf Bildung. Für dieses Schreiben muss sich der Familienvater zu bestimmten Terminen an die jeweiligen Regierungsstellen wenden, um die Gebühr zu zahlen und zu unterschreiben. Omid, ein afghanisches Kind aus einer undokumentierten Familie, möchte in die erste Klasse gehen. Er kann dieses Dokument jedoch nicht bekommen, da sein Vater nicht vor Ort ist, um zu unterschreiben.

The Documents of the Undocumented

Omid ist ein sechseinhalbjähriges afghanisches Kind ohne Papiere. Er und seine zwei Brüder leben bei ihrer Großmutter. Der Vater ist im Gefängnis und die Mutter ist nicht oft zu Hause, da sie außerhalb des Wohnorts arbeitet. Die Großmutter arbeitet als Tomatenpflückerin auf einer Farm in den Vororten der Stadt Mashhad im Iran. Sie brachte Omid zur Schule, um ihn für das dreimonatige nicht-staatliche Bildungsprogramm [1] anzumelden. Nach dem Programm wollte sie Omid in der ersten Klasse der staatlichen Schule einschreiben, aber das war nicht möglich, da sie keine Dokumente hatten.

Im Iran müssen Kinder von Eltern ohne Papiere in einem staatlichen Zentrum namens "Kafalat Centre" als solche registriert werden, dann erhalten sie einen Brief für die Einschulung, wofür sie eine Gebühr bezahlen müssen. Zumindest bietet der iranische Staat mit dieser Politik ein System, das den Kindern ohne Papiere eine Chance gibt, Bildung zu erhalten und eine Perspektive zu haben und etwas aus ihrem Leben zu machen.

Begleitet von einem Freiwilligen besuchte ich die Familie. Wir wollten der Großmutter eine finanzielle Unterstützung geben, um das Kafalat-Zentrum zu bezahlen. Aber das war nicht das einzige Problem: Das Zentrum hatte verlangt, dass die Eltern persönlich erscheinen und unterschreiben. Also nahm die Großmutter Omids Mutter mit zum staatlichen Zentrum. Die Heiratsurkunde ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter dabei zu haben, brachte nichts. Die Unterschrift muss vom Vater kommen, nicht von der Mutter. Denn aufgrund des islamischen Gesetzes zählt die Mutter nicht und gilt als nicht unterschriftsberechtigt. Sie erklärten, dass der Vater im Gefängnis sitzt und nicht anwesend sein kann, aber das Zentrum weigerte sich immer noch, ihnen die Papiere auszuhändigen. Die Großmutter ging ins Gefängnis, um mit den Gefängnisbeamt*innen darüber zu sprechen, ihren Sohn für einen Tag herauszulassen, um zu unterschreiben, aber ihre Bemühungen waren vergeblich.

Der iranische Staat versucht, die Kinder von Menschen ohne Papiere mit den Papieren auszustatten, damit sie zur Schule gehen können, aber dennoch gibt es zahlreiche Hindernisse, die die Beschaffung dieser Papiere erschweren: Das Büro für Angelegenheiten ausländischer Immigrierender im Iran gibt Kindern ohne Papiere das Recht auf Bildung, aber in Kombination mit der patriarchalischen islamischen Gesetzgebung beraubt das System einige dieser Kinder immer noch ihrer Schulbildung und ihrer Zukunft.

Als ich ihnen die Karte für die Bargeldhilfe gab, weigerte sich die Großmutter, sie anzunehmen. Sie sagte, das Einzige was sie wolle, sei, ihren Enkel in die Schule zu bringen. Sie flehte mich verzweifelt an, etwas zu tun, um Omid in die Schule zu schicken. Aber ohne die Unterschrift seines Vaters und damit ohne die Papiere ging das nicht. Wie viele Hoffnungen, Gefühle und Emotionen waren mit diesem Stück Papier verbunden! Es schien, als hänge die Zukunft eines Kindes oder vielleicht ein ganzes Leben davon ab.

Malihé Bayat Tork

[1] Damals habe ich für eine internationale humanitäre Organisation gearbeitet, deren eines Programm sich dafür einsetzte, den Zugang zu Bildung für afghanische Kinder im Iran zu verbessern. Während des Sommers wurde ein dreimonatiges nicht-staatliches Bildungsprogramm angeboten, um Kinder für den Schulbeginn an einer staatlichen Schule vorzubereiten.

Materialität der Migration
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