Spenden – wahre oder vermeintliche Wohltätigkeit

Abgetragene Schuhe mit Löchern in der Sohle, Kleidung mit Brandflecken oder zerrissenem Innenfutter, abgegeben als Spenden in der Kleiderkammer der Caritas in Friedland. Beim Auspacken der Spenden fragte ich mich häufiger: Nach welchen Kriterien entrümpeln Spendende ihre Kleiderschränke, Dachböden und Keller? Welche Motive regen zum Spenden an? Und was ist wahre oder vermeintliche Wohltätigkeit?

Spenden – wahre oder vermeintliche Wohltätigkeit

Wohltätigkeit ist das Wirken Einzelner oder von Organisationen zu Gunsten Bedürftiger durch Almosen, Geschenke oder Spenden.1 Als ab September 2015 verstärkt Geflüchtete nach Deutschland kamen, stießen auch Aufrufe der Kleiderkammer in Friedland nach Kleiderspenden auf großen Widerhall. Seitdem werden Kleidung, Schuhe, Geschirr, Töpfe und Pfannen, Koffer, Taschen, Gürtel, Schals, Bettwäsche und Handtücher, Kinderspielzeug und vieles mehr gespendet. Diese Gegenstände können gegen einen symbolischen Obolus von den Geflüchteten erworben werden. Wurde in “Need or Greed” die Sichtweise der Geflüchteten betrachtet, soll hier die Perspektive der Spender*innen beleuchtet werden.

Manche Spenden werden, verpackt in großen Taschen, Körben oder Plastiksäcken, am Geruch gut identifizierbar aus der Reinigung kommend oder aber frisch gewaschen, teilweise gebügelt oder zumindest ordentlich zusammengelegt, in der Kleiderkammer abgegeben. Abgeliefert werden aber auch Spenden, die eigentlich in den privaten Hausmüll gehören: dreckige Schuhe mit Löchern in den Sohlen oder mit abgebrochenen Absätzen, Stiefel mit abgewetztem Leder oder ungewaschene und in Plastiksäcke hineingestopfte Röcke, Blusen, Hosen und Unterwäsche – fleckig, kaputt und muffig riechend. Rätsel gab uns letztens eine Spende auf, die acht einzelne gut erhaltene Schuhe in verschiedenen Größen enthielt. Obwohl wir sechs Wochen abwarteten und annahmen, evtl. eine Spendensendung übersehen zu haben, konnte dieses Rätsel nicht gelöst werden.

Die Frage nach den Motiven der Spender*innen zeigt, wie unterschiedlich diese sind: Während einige Platz schaffen und alles Unnötige und Überflüssige aussortieren wollen, überlegen andere sehr bewusst, welche Dinge sie abgeben können, um anderen zu helfen. Diese Spender*innen wollen Gutes tun, Freude bereiten durch die Spende von Kleidung oder anderen Artikeln, wie beispielsweise Schulranzen, die im eigenen Haushalt, bei Nachbar*innen oder Freund*innen nicht mehr nötig, aber von guter Qualität und instand sind. Sie werden vom Gedanken der wahren Wohltätigkeit geleitet. Auch wenn es sich um Spenden handelt, die für die Kleiderkammer in Friedland nicht geeignet sind, werden gut erhaltene Artikel als Spende weitergeleitet, bspw. nach Rumänien, da hier seit Jahren eine Kooperation besteht. Das heißt, sind die Kleidungsstücke sauber und ordentlich verpackt angekommen, entsprechen aber entweder von der Jahreszeit, der Größe, vom Schnitt oder Design her nicht den Kleidungsstücken oder Artikeln, die in der Kleiderkammer benötigt werden, werden diese in extra Kartons verpackt, gekennzeichnet und den weiteren Transport bereitgestellt.

Und welche Überlegungen leiten Spender*innen, die ihren persönlichen ‚Hausmüll‘ einer kirchlichen Einrichtung anvertrauen? Die sich selbst die Mühe machen, diese Gegenstände zu verpacken und in die Kleiderkammer zu transportieren mit dem Empfinden, wahre Wohltätigkeit auszuüben? Die den Ehrenamtlichen mit solchen Spenden viel Arbeit machen, die jedes einzelne Kleidungsstück und jeden Gegenstand behandschuht herausnehmen müssen, ihn auseinanderfalten und auf seinen Zustand hin überprüfen, gefolgt von der Entscheidung, die Kleidungsstücke als unbrauchbar auszusortieren. Alle Spendenstücke, die beschädigt, dreckig oder aber anderweitig als Hausmüll zu bezeichnen sind, werden in extra dafür vorgesehene Lumpensäcke gesteckt und entsorgt.2

Kann es sein, dass Spender*innen solcher vermeintlichen Wohltätigkeit vor allem ihr eigenes Gewissen beruhigen wollen und zugleich das Bedürfnis haben, nach außen hin fürsorglich oder gar großzügig zu erscheinen? Das gelingt aber nicht, ganz im Gegenteil: vermeintliche Wohltätigkeit ist Respektlosigkeit und Missachtung gegenüber den Geflüchteten und Ehrenamtlichen in gleichem Maße und Ausdruck einer subjektiv gefühlten Überlegenheit.


Ute Marie Metje

[1] Vgl. Academic dictionaries and encyclopedias, Link: https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1522874 (Zugriff: 21.07.2019).

[2] Das Verhältnis von guten Spenden und Hausmüll, der in der Kleiderkammer abgegeben wird, kann nur sehr grob eingeschätzt werden, da keine Spendenlisten existieren. Während an manchen Tagen die wahren Spenden überwiegen, sind es an anderen Tagen die vermeintlichen Spenden, abzulesen an der Anzahl der Lumpensäcke in einer Schicht der Ehrenamtlichen.

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