Über das Leben und Sterben der syrischen Journalistin Dilîşan Îbiş
Die Nacht war dunkel, Dilîşan wollte sie mit einem Kinderlachen erhellen, wusste aber nicht, dass die Macht der Dunkelheit ihrem Leben ein Ende setzen würde.
Dilîşan Îbiş wurde 1991 in der Stadt Kobanê geboren. Der Name Kobanê ist unmittelbar mit der Erinnerung an das Scheitern und den Sieg über den sogenannten Islamischen Staat verbunden. An sich liebt jede Person ihr Land, doch besteht in der Heimat Unterdrückung, wächst diese Liebe ins Unermessliche. Als die Revolution in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) begann, kehrte sie zurück in ihre Stadt, obwohl sie zu dieser Zeit Wirtschaftsmanagement in Aleppo studierte. Denn die Zeit, auf die sie jahrelang gewartet hatte, war gekommen: sie wollte ihren Traum, als Journalistin zu arbeiten, verwirklichen.
Mit ein paar Freund*innen gründete Dilîşan das Radio Dengê Kobanê (Die Stimme von Kobanê). Bei einem Angriff des IS auf Kobanê wurde jedoch das Radiogebäude bei einer Explosion zerstört und Dilîşan musste die Stadt verlassen. Nach der Befreiung der Stadt bauten Dilîşan und ihre Freund*innen, mithilfe von Spenden, auf den Trümmern des alten Gebäudes eine neue Sendestation auf. Ihre Stimme war wieder in Kobanê hörbar.
Danach begann Dilîşan in der Nachrichtenagentur Hawar News Agency (ANHA) zu arbeiten. Dort schrieb und veröffentlichte sie Nachrichten auf Kurdisch, ihrer Muttersprache. Als die Streitkräfte der QSD (Demokratischen Kräfte Syriens) ihre letzte Operation gegen den IS in Deir ez-Zor begannen, machte Dilîşan sich mit zwei ihrer Kolleg*innen der Hawar-Agentur dorthin auf.
In der Nacht des 12. Oktober 2017 flohen viele Zivilist*innen aus IS-Gebieten und erreichten schließlich die QSD-Stellungen. Dilîşan wollte dies mit ihrer Kamera dokumentieren und ging auf die Leute zu, um deren Freude über die Befreiung vom IS aufzunehmen und dieser dadurch Ausdruck zu verleihen. Aber eine halbe Stunde nachdem sie dort angekommen waren, griff der IS die Zivilst*innen, unter ihnen neben Dilîşan und ihren Freund*innen auch viele Kinder, mit einer Autobombe an. Die Nacht und das Auto waren die letzten Dinge, die Dilîşan sah. Sie, ihre zwei Kolleg*innen sowie dutzende Zivilist*innen starben bei diesem Angriff. Alles was übrig blieb, war eine verbrannte Kamera, die Kinderfotos enthielt.
Da wir Arbeitskolleg*innen waren, habe ich das Foto der Kamera auf meinem Twitter-Account gepostet und jedes Mal, wenn ich sie mir anschaue, erinnere ich mich an Dilîşan und bekomme dadurch wieder neue Kraft und Motivation, um meine Arbeit weiter zu machen.