Prepaid-Coupon

Die Kommunikation von Lagerbewohner*innen hängt ganz grundlegend von der digitalen Infrastruktur der Unterkünfte ab. Frei zugängliches WLAN ermöglich auch den Austausch von Videos, Sprachnachrichten, Bildern, und Dokumenten, der höheres Datenvolumen beansprucht. Steht dieses aufgrund von Verlegungen nicht mehr zur Verfügung, ändern sich die Kommunikationsweisen dramatisch und erfordern den Kauf von Prepaid-Guthaben, was für viele eine große finanzielle Herausforderung darstellt.

Hoffnungen, Zukünfte und andere Orte

Kann Hoffnung als das Fehlen von Informationen verstanden werden? Ich stellte mir diese Frage, als ich mit Arif und seinen Freunden über ihre Erwartungen an die neue Unterkunft, zu der sie verlegt wurden, sprach. In Friedland war das Unwissen über laufende Asylverfahren und die neuen Orte, an die die Menschen verlegt werden, allgegenwärtig – und ebenso die Hoffnung.

Obwohl Arif jahrelange Erfahrungen als Asylsuchender hatte, wusste er nicht genau, was sie in der neuen Unterkunft in Braunschweig erwarten würde. Die Freunde baten mich, Informationen über die Unterkunft einzuholen. Allerdings konnte ich über Google nicht besonders viel finden. Auf den Bildern, die ich online fand, sah die Unterkunft nicht großartig, aber in Ordnung aus.

Haani, der Jüngste, hatte große Erwartungen an den neuen Ort. Er freute sich darauf, der Lethargie und der Langeweile Friedlands zu entkommen. Er war Ende zwanzig, herzlich, witzig und muskulös. Da er sein Training vernachlässigt hatte, hoffte er, auf eine Unterkunft mit einem Fitnessparcours oder einem Fitnessstudio in der Nähe und natürlich auf besseres WLAN. Außerdem wollte er gerne mit anderen – Nicht-Geflüchteten – gemeinsam trainieren und neue Freunde finden. Er zeigte mir die Trainingsschuhe, die er mitgebracht aber bisher nicht benutzt hatte.

Da Raafe ein eher ruhiger Mensch war und wir nur einige Worte auf Arabisch wechselten, sprachen wir nicht über seine Erwartungen. Allerdings schien er ähnlich wie Arif, der unzählige Enttäuschungen durchgemacht hatte, Haani‘s große Erwartungen nicht zu teilen. Nichtsdestotrotz hofften sie darauf, dass die Unterkunft in der Nähe des Stadtzentrums liegen würde, auf gutes Essen und eine WLAN-Verbindung. Haani hatte versprochen seinen Geburtstag zu feiern und mich zur Party nach Braunschweig einzuladen. In unserem Gespräch wirkten sie fröhlich aber insgesamt eher ernüchtert. Wir vereinbarten, über WhatsApp in Kontakt zu bleiben.

Das erste, was mir auffiel, nachdem die drei Männer nach Braunschweig abgereist waren, war das Nachlassen unserer Kommunikation. Nach ein paar Tagen erhielt ich nur eine kurze Sprachnachricht, die besagte, dass es ihnen gut gehe.

Nach einer weiteren Woche rief ich Arif an, der mir die neue Unterkunft beschrieb. Es war schlimmer als erwartet: Die Räume waren dreckig und schäbig, zum nächsten Supermarkt war es ein Fußmarsch von vier Kilometern, es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, kein WLAN und kaum Empfang in der Unterkunft. Arif bat mich, ihm Guthaben über einen Prepaid-Gutschein zu schicken, da sein Guthaben bald erschöpft sein würde und das Netz des Mobilfunkanbieters in dieser Gegend nicht zugänglich war. Es gab auch kein Fitnessstudio, sodass Haani immer noch nicht mit seinem Training begonnen hatte und nicht in der Stimmung war, seinen Geburtstag zu feiern.

Zwei Wochen später telefonierten wir erneut. Arif hatte in vier verschiedenen Restaurants begonnen schwarz zu arbeiten, aber sie hatten ihn alle nach ein paar Tagen ohne Bezahlung entlassen, angeblich weil das Geschäft zu schleppend lief. Die Stimmung von Arif und seinen Freunden erreichte ein neues Tief, als sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMBF) die Aufforderung erhielten, Deutschland „freiwillig“ zu verlassen oder eine Abschiebung nach Pakistan zu riskieren.

Zwei Wochen später trennte sich die Gruppe. Haani und Raafe entschieden sich dazu, ihr Glück in einer anderen, vielversprechenderen Stadt in Deutschland zu versuchen. Arif fragte mich, ob ich ihn besuchen würde, wenn er nach Pakistan abgeschoben werden würde. Ich antwortete nur wage, um nicht weitere falsche Hoffnungen zu wecken. Es schien, als würde Arif über eine Rückkehr nachdenken, trotz der Gefahren, die diese für ihn bedeuten würde. Wenn ich über Arif nachdenke, kommen mir viele Fragen in den Sinn: Wird er „freiwillig“ zurückgehen, wie es das BAMF so unschuldig formuliert, oder wird er seinen Freunden folgen? Könnte sich doch noch eine Möglichkeit für den Verbleib in Deutschland eröffnen? Wohin würde er zurück in Pakistan gehen – in seine Herkunftsregion oder einen anderen Landesteil? Ich kann es nicht sagen.

Dinge, Aussichten, Freundschaften und Kommunikationen: alles scheint sich aufzulösen. Während ich diesen Text fertigschreibe, hege ich kaum Hoffnung für Arif und ich habe kaum Informationen über seinem weiteren Verbleib. Aus diesem Grund, kann ich einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen – Hoffnung und Information – wie ich ihn am Anfang dieses Texts angedeutet habe, nicht bestätigen.

Friedemann Yi-Neumann

von Friedland nach Braunschweig (Prepaid-Coupon)